Schon in Kräuterbüchern des 16. Jahrhunderts wird Erythaea centaurium, besser bekannt als Tausendgüldenkraut lobend erwähnt. Ihre hervorragenden Dienst in der Heilkunst wurden aufgewogen mit tausend Gulden – diese Wertschätzung trägt die Pflanze heute noch in ihrem Namen.
Tausendgüldenkraut gehört zu den bitteren, den Magen stärkenden Arzneien. Tinktura amara heißen die bitteren Magentropfen und werden als Extrakt genutzt, wenn die Eigenschaften öffnend und stärkend gefragt sind. In alten Kräuterbüchern steht geschrieben, dass das Kraut in Wasser und Wein gesotten und getrunken, schlechte Säfte durch den Stuhlgang austreibe und hilfreich gegen Fieber sei. Es öffne die verstopfte Leber und erweiche die harte Milz. Zerstoßen und aufgelegt oder Umschläge mit dem Saft gemacht, heilen Wunden und alte Geschwüre. Der Absud dient zum Waschen unreiner Haut und heilt den fließend Grind (Milchschorf).
Zu erkennen ist die hübsche Pflanze am ebensträußigen Blütenstand. Auf einem aufrechtästigen kantigen Stängel sitzen die eiförmig länglichen Blätter und in den Gabelungen der Zweige einzelne, fast ungestielte Blüten in rosarot. Fünf zarte Blütenblätter umringen ein gelbes Innere und die zart rosa Trugdolden öffnen sich windradartig. Das Tausendgüldenkraut blüht von Juni bis August auf Waldwiesen. Das Kraut ist geruchslos aber von sehr bitterem Geschmack.
Im Volksmund nennt man das Kraut Auriken, Himmelsblümlein, Muttergotteskraut, Sintau oder Erdgalle. Gemeint ist immer das Tausendgüldenkraut Erythaea centaurium. Der lateinische Name Centaurium erinnert an den Centaur (Pferdemensch) Chiron der griechischen Sage, der das Kraut entdeckt und damit seine Wunde am Bein geheilt haben soll. Später wurde der Name von centrum (=100) und aurum (=Gold) hergeleitet, sodass das Kraut eigentlichen „Hundertgüldenkraut“ heißen müsste. Tau-sendgüldenkraut heißt es der Legende nach, weil einst ein reicher Mann, der stets an Fieber litt, demjenigen eintausend Gulden versprach, der ihm ein Heilkraut gegen seine Krankheit bringen könne. Das Kraut wurde gebracht und der Kranke geheilt.
Astromedizinisch gesehen werden das Kraut, die Blüten und die Wurzeln des Tausendgüldenkrautes dem Planeten Jupiter zugeordnet. Das Tierkreiszeichen Schütze wird unterstützt, wenn die Folgen von viralen Infekten auf der Leber zu spüren sind. Kräuterkundige sammeln das Kraut, wenn die Sonne im 15. Grad des Löwen steht, das ist um den 7. August rum. Dann hat das Kraut den höchsten Wert an Aurin, Bitter- und Gerbstoffen.
Centaury-Bachblüten sind für Zeiten gedacht, in denen die Demut besorgter Menschen zu weit geht und die eigene Seelenentwicklung wegen mangelnder Zielstrebigkeit vernachlässigt wird. Der Tyrann wird nur deshalb mächtig, weil die Schwachen sich nicht verteidigen. Das Tausendgüldenkraut ist we-der Feenhaft noch schwach – sondern stark, klar und hell und wächst dort, wo andere Pflanzen nicht gedeihen, nämlich auf trockenen Böden. Das Kraut hilft, aus Mitgefühl wahre Anteilnahme entstehen zu lassen, dann wird eine Bereitschaft zum Helfen entwickelt – ohne sich selbst im Dienste der Nächsten zu verlieren. Dann entsteht ein Dienst der Liebe unter Gleichberechtigten. Alles Indikationen für die gutmütigen, stillen und sanftmütigen Menschen, die überängstlich darauf bedacht sind, anderen zu dienen. Sie überschätzen bei all ihren Bemühungen die eigene Kraft. Ihre Gutmütigkeit führt dazu, dass sie mehr leisten als sie müssten und dabei laufen sie Gefahr, die eigene Lebensaufgabe zu vernachlässigen.
Die Hl. Hildegard von Bingen schreibt über das Tausendgüldenkraut: „Calr et succus centaureae est fortis es gich compescit“ und meinte damit, ein Vergichter trinke oft Tausendguldenkraut in einem Wein und die Gicht in ihm wird vergehen. Wem ein Knochen und ein Bein des Körpers irgendwo gebrochen wurde, dann trinke er oft das Pulver von Tausendguldenkraut oder dessen Wurzel, vermischt mit Wein oder Wasser und der gebrochene Knochen wird zusammengeleimt. Mache auch das Kraut in Wasser warm, drücke das Wasser ab und lege das warme Kraut über die Stelle, wo der Knochen gebrochen ist, blähe so diese Stelle und er wird geheilt.
Auch das Handbuch des deutschen Aberglaubens weis über das wertvolle Kräutlein zu berichten. Schon bei Marcellus im 4. Jahrhundert nach Christus wurde Tausendgüldenkraut wegen seiner roten Blütenfarbe bei Blutkrankheiten verwendet. Es fördert die Menstruation und zählt deshalb zu den Frauenkräutern. Weiter steht geschrieben, dass Tausendgüldenkraut gegen die Bleichsucht hilft, Blut stillend wirkt und Fleischstücke zusammenwachsen lässt. Die rote Farbe vom Tausendgüldenkraut wurde als Apotropäum gehalten und damit schützt es gegen bösen Zauber und gegen die Hexen. Wenn es am Dreifaltigkeitsfest geerntet wurde, war es helfend gegen Gicht und Krämpfe. Die Hirten in der mährischen Walachei verwendeten das Tausendgüldenkraut gegen Verzauberung der Schafe. In der Volksheilkunde wird das Tausendgüldenkraut auch als „Fieberkraut“ bezeichnet und so wundert es nicht, dass die Heilpflanze heute wieder als Mittel gegen Migräne zu neuen Ehren gekommen ist. Der bittere Geschmack der Droge deutet es schon an: Es regt die Bildung von Speichelsaft und Magensäure an. Dabei muss vom Therapeuten unterschieden werden, ob es sich um einen saftlosen müden Magen handelt oder um einen übersäuerten Magen, der dem Menschen Beschwerden macht. Beim zweiten Fall, beim übersäuerten Magen, ist für das anregende Tausendguldenkraut keine Indikation gegeben, sondern Vorsicht ist geboten!
Kräuterpfarrer Johann Künzle sagt über das Pflänzlein: Wenn der Appetit fehlt, wenn die Speisen aufstoßen oder wenn es an der Verdauung fehlt, hilft eine Tasse von Tausendgüldentee. Bleichsüchtigen, Blutarmen, Mageren und Gelbsüchtigen ist dieser Tee besonders zu empfehlen. Er beseitigt auch die Magenverschleimung und die Verschleimung der Luftwege bei alten Leuten.
Noch heute hat das Tausendgüldenkraut einen wichtigen Platz in der Liste der Heilpflanzen. Muss der Patient geerdet werden, weil er zu abgehoben ist und den Boden unter den Füßen verloren hat, bietet sich das Kräutlein an, weil es auf
höherer geistiger Ebene wirkt. Neben Engelwurz ist Tausendgüldenkraut ein wichtiges Mittel, wenn der Mensch lernen muss, sich endlich durchzusetzen. Eingenommen als Tinktur entdeckt der Patient Fröhlichkeit und Lebensfreude wieder.
Wer sich für den Tee aus dem Kraut entschlossen hat, der kann mitreden, was es bedeutet, so richtig bitter genannt zu werden. Den Tee zu süßen ist leider nicht erlaubt, dann verliert er seine Wirkung. Überdosieren ist auch kaum möglich, denn das verhindert schon der bittere Geschmack. „Bitter macht das Herz froh“, so heißt es in der Volksmedizin. Das gilt besonders für das Tausendgüldenkraut.
Das Tausendgüldenkraut gehört zur Familie der Enziangewächse. Wie ihre Familienmitglieder und Verwandten ist auch sie sehr bitter im Geschmack. Anders wie beim gelben Enzian – da werden die Wurzeln für Theriak und Lebenselixier verwendet – wird beim Tausendgüldenkraut der blühende oberirdische Teil der Pflanze zu Heilzwecken genommen. Wegen seiner Bitterkeit und seiner feurigen Art wird das blühende Kraut dem Element Feuer zugeordnet und mit den Eigenschaften warm und trocken gerne für Magenleiden verwendet.
Mit dem Tausendgüldenkraut haben wir ein Heilkraut vor uns, das schon in der Mythologie vorkommt und im Mittelalter geschätzt wurde – und das ehrenvoll in ihrem Namen tragen darf. Das Kraut von Erythaea centaurium ist angesagt, wenn Bedarf besteht, die Verdauung und den Appetit anzuregen und den Magen zu stärken. Wenn gelernt werden muss, sich in der Welt durchzusetzen und nein sagen zu üben, dann sollte an Tausendgüldenkraut gedacht werden – in ehrwürdiger und hochachtungsvoller Weise, wie es diesem Heilkraut gebührt.
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