Der gewöhnlich bei uns angebaute Hafer hat eine beidseitig ausgebreitete Rispe. Der Fahnenhaber Avena orientalis Schreber auch türkischer oder Zottelhaber genannt, ist eine besonders Art mit zusammengezogener einseitiger Rispe. Alle Sorten dienen dem selben Zwecke. Der Hafer blüht im Juli und reift August bis Anfang September. Hafer ist ein Kulturgewächs und wird bis zum 65. Breitengrad angebaut. Die Haferfrucht hat einen schwachen, nicht angenehmen Geruch und der Geschmack ist süßlich mehlig. Es sind die Inhaltsstoffe und nicht der Geschmack, was Avena sativa aus der Familie der Gräser zum Heilkraut macht: das Alkaloid Avenin und das Verdauungsenzym Lectine.

Aus alten Kräuterbüchern

Die Brühe, darin Habermehl gesotten, ist gut wider den Husten. Der Habermus stopft den Stuhlgang. Wider den Lendenstein pflegt der gemeine Mann Haber oder Wacholderbeeren zu wärmen und in einem Säckchen aufzulegen. Wider die Räude und schäbigem Grind (Milchschorf) der kleinen Kinder ist nichts besser, als Haberstroh gesotten und darin gebadet. Kneipp empfiehlt ferner Wickel und Bäder mit Haberstrohabsud, der als auch Ersatz für Heublumenabsud dient. Gegen Grieß- und Steinleiden stellt er Haberstrohbäder in erster Linie, dazu Trinken von Habertee und sagt: „Stärker noch, als Habertee, wirkt Tee von Haberstroh, der auf dieselbe Weise bereitet wird“.

Haferkraut das Pferdekraut

Die Volksmedizin und die Bauernschaft wusste wieder einmal Bescheid! Erstens, dass man Hafer sät bei zunehmendem Mond, damit kein Unkraut wächst zwischen dem Haferstroh. Und Zweitens, dass Haferstroh gut den Pferden tut. Am Stephanstag fand die Haferweihe statt. Der Heilige Stephan ist der christliche Wodan, dem die Pferde heilig waren – so wurde an diesem Tag die Hauptnahrung der Pferde geweiht, auch um den Pferden das Gedeihen zu sichern. Wie viele andere Körnerfrüchte spielt auch der Hafer in Fruchtbarkeitsritualen eine besondere Rolle – auch das Haferstroh ist ein aphrodisierendes Symbol. Das Bewerfen des Brautpaares mit Haferkörnern war vieler Orts gebräuchlich.

 

Hafer in der modernen Heilkunde

Avena sativa gilt als ein klassisches Beruhigungs- und Schlafmittel für überlastete und sorgenbeladene Menschen mit Zukunftsängsten. Es ist das Alkaloid Avenin, welches zur sedativen Wirkung gebraucht wird.

Bei nervösen Erregungszuständen, bei starker Reizbarkeit und Einschlafstörungen wird der Hafer ergänzt mit Passiflora, Eschscholtzia dem kalifornischen Gelbmohn, Coffea in homöopathischer Potenz und bei nächtlichen Wachphasen sollte an die Ergänzung mit Aurum chloratum natrium gedacht werden.

Die Homöopathie verarbeitet die frischen grünen und blühenden Pflanzenteile, die empfohlen werden bei nervöser Schwäche, Neurasthenie und Erschöpfungszuständen, bei Folgen von geistiger Überanstrengung, bei Folgen von schweren Krankheiten als Rekonvaleszentenmittel und bei Appetitlosigkeit, die nach einer Grippe zurückbleibt.

Tipp:

Vollmers grüner Hafertee fördert die Ausscheidung von Harnsäure und anderen Stoffwechselprodukten, unterstützt die Entwässerung, fördert die Verdauung und einen regelmäßigen Stuhlgang. Bei nervösen Störungen eines Merkurbetonten Menschen ist Hafer ein Aufbau- und Kräftigungsmittel erster Güte.

Von Hafersuppe und Hafertrank

Ist unser Magen verdorben, so werden wir in der Regel zur Hafersuppe greifen, denn sie hilft uns meist, die Verdauungsstörungen zu überwinden. Schon als Haferpflanze ist er ein hervorragendes Heilmittel, also als grünes hochgewachsenes Gras. Es mag wenigen bekannt sein, dass der Hafer, wenn er gerade Ähren angesetzt hat oder schon in Milch oder Blüte ist, durch das in ihm enthaltene Avenin direkt nutritiv, d.h. ernährend auf das Nervensystem, auf die Nervenzellen einwirkt und daher als äußerst wertvolles Nervenmittel zu nennen ist. Wir können uns zu Hause selbst ein Nervennahrungsmittel daraus bereiten, wenn wir einige blühende Pflanzen durch die Hackmaschine drehen oder sonst wie zerkleinern.

Den grünen Brei übergießen wir mit warmen Wasser, lassen zwei Minuten ziehen und seihen dann ab, süßen entweder mit Honig, Rohrzucker oder besser mit Traubensaft.
Wir können auch kombinieren, indem wir die Haferpflanzen zusammen mit einigen Weinbeeren oder Rosinen durch die Hackmaschine drehen, mit warmen Wasser übergießen und abseihen. Auf diese Art haben wir gleichzeitig gesüßt. Dieser Hafertrunk ist in unserer aufregenden Zeit für jedermann ein Wundermittel, das, wenn längere Zeit getrunken, die Nerven regeneriert und beruhigt und neue Nervenkraft verleiht.

Selbst nach der Haferernte kommen wir nicht in Verlegenheit, denn auch das getrocknete Haferstroh dient uns nochmals als Tee. Seine Wirkung ist allerdings nicht mehr so stark, aber für Katarrhe, gegen Husten und fieberhafte Zustände ist der Tee aus trockenem Haferstroh noch immer empfehlenswert.
Das Baden der Kinder in Haferstrohabsud bringt bei mangelhafter Hauttätigkeit diese wieder in Ordnung. Der Hafertee hat eine kräftigende, stärkende Wirkung. Bei Magen- und Darmhautentzündungen ist er ein hervorragendes Beruhigungsmittel. Der grüne Hafer kann als Hafertrank genommen werden, sobald er ca. 50 cm hoch ist. Am wirksamsten ist der während der Blütezeit. Solange sich in den Körnern noch Milch befindet, kann er zur Bereitung des Hafertranks verwendet werden.

Wer diese Hafertrankkur durchführt, wird erfahren, dass sein Nervensystem das ganze Jahr hindurch dankbar reagiert. Kombiniert mit dem Extrakt der koreanischen Heilwurzel Ginseng, ist es für Erwachsene eine zuverlässige Stärkung für die Nerven. Auch für Zuckerkranke ist der Hafertrunk sehr gesund.