Kräuterkundige wie Johann Künzle oder Kräuterpfarrer Losch, auch schon Albertus Magnus, schätzten die Heilpflanzen der Geraniaceae oder Storchschnabel-gewächse außerordentlich. Zur Familie gehört die Rosengeranie (Pelargonium gravelosens), die afrikanische Art Umckaloabo (Pelargonium reniforme und sidoides), eben das Ruprechtkraut (Gerianum robertianum) und die englische Balkonpflanze Pelargonium anglicum, von der die Heilige Hildegard von Bingen so große Stücke hielt.
Das einjährige Kraut der Ruprechtpflanze wird beschrieben als ein aufrechter, verästelter und rothaariger Stängel, dessen Blätter im Umriss dreieckig sind und in drei bis fünf Teile getrennt mit fiederspaltigen Blättlein vom Wurzelstock hochschießen. Die Blüten sitzen je zu zweien auf den Stielen, sind rosarot mit hellen Adern am inneren Blütenblatt. Die Früchte haben die Form eines langen Schnabels mit zwei Klappen, welche die Samen bergen. Das Ruprechtkraut blüht von Mai bis Oktober, liebt schattige Standorte im Wald, an Hecken, an Mauern und auf Schuttplätzen. Die Pflanze, besonders die Wurzeln haben einen widerlichen Bocksgeruch, der auch etwas an gelbe Rüben erinnert und einen zusammenziehenden Geschmack.
Ruprechtkraut ist der volkstümliche Name des stinkenden Storchschnabels. Der heilige Robert oder Ruprecht, Erzbischof von Salzburg, soll im 7. Jahrhundert den Gebrauch der Pflanze empfohlen haben – daher der Name Ruprechtkraut. Andere gaben ihr Namen wie Orkenschnabel, Klapperschreck, Kopfwehblümli, Gottesgnad oder Sniffen gegeben. Gemeint war immer die Heilpflanze Gerianum robertianum.
Nach der Flora der Wetterau gebrauchten die Hirten in Schweden den Aufguss von dieser stinkenden Pflanze wider das Blutharnen des Viehs. Das frisch zerquetschte Kraut soll die Wanzen vertrieben haben. Für den Menschen hat man die zusammenziehenden Eigenschaften als Wund- und Blutkraut genutzt. In alten Kräuterbüchern steht: „Man gebrauche sie zur Linderung der Schmerzen, so sich in den Gewerben (Gelenken) und Gliedern diese erregen.“ Ruprechtkraut wurde gerühmt wider den Rotlauf (Erysipel oder Wundrose) oder fliegend Feuer, so man die Blätter zerknirscht und überlegt.
Als Frauenkraut hat Geranium robertianum bei Schäden an heimlichen Orten der Weiber nach der Geburt gewirkt – damit waren die Geschlechtsteile umschrieben. Auch eine entzündete und geschwollene Brust bei Frauen lässt sich mit Auflagen von Storchschnabel bessern. Bei einer Geschwulst der Mannesruthen nahm man je eine Hand voll Pappelkraut (wilde Malve) und Mauerpfeffer sowie zwei Hände voll Ruprechtkraut in einen Topf, gab guten Wein zu und erhitzt die Flüssigkeit, bis die Hälfte eingekocht war. Das gesottene Kraut musste mindestens zweimal täglich auf die erkrankten Stellen gelegt werden, die man zusätzlich noch mit der abgegossenen Weinbrühe gewaschen hat.
In alten Kräuterbüchern sind Abbildungen der Pflanze zu sehen, auf denen ein Storch abgebildet ist. Ein deutlicher Hinweis auf die kindsfördernde Eigenschaft der Heilpflanze. Ebenso deutet die spitze Samenkapsel nach der Blüte auf den Storchenbiss hin. Übrigens bei Mensch und Tier. In der Veterinärmedizin früher wurde das Kraut von Storchschnabel verwendet bei Viehseuchen und Sterilität des Rindes.
In der Astromedizin wird der Storchschnabel Venus und Mars zugeordnet. Eine Pflanze verkörpert die Liebesgöttin Venus und gleichzeitig den in Rüstung verpackten Held des Krieges und der Schwerter aus Eisen. Zwei Gegensätze verbinden sich in einem Kraut. Also ein wertvolles Kräutlein für das harmonische Miteinander der Geschlechter, auch Venus und Mars waren ein Liebespaar. Eines ihrer vielen Kinder war Cupido, besser bekannt als Amor oder Eros, der immer ein süßes Kind blieb, aber wuchs, wenn er in Gesellschaft seines Bruder Anteros (Gott der Leidenschaft) war. Die Pflanze wächst auch gerne auf eisenhaltigem Boden. Dann nehmen Stängel und Blätter eine besonders schöne rote Farbe an und die Tinktur bekommt eine Ritterrüstung. Marskraft ist gut für das Immunsystem.
Schon Hildegard von Bingen, Äbtissin, Mystikerin und erste schreibende Ärztin des Mittelalters, berichtet über ein Rezept mit storkenables (Storchschnabel): Ein Pulver aus Wurzel und Kraut dieser Pflanze mit zwei Wurzeln nebst Kraut der Malve und sieben Wurzeln nebst Kraut des Wegerichs wirkt beim Träger dieser Mischung gegen Vergiftung und Magie der Worte und bringt Gesundheit, Tapferkeit und Gedeihen. Alle Storchschnabelarten galten als Heilmittel gegen Augenleiden, wohl, weil ihre Blüten entfernt an Augensterne erinnern.
Auch oder besonders die moderne Kräuterheilkunde kann nicht auf Tinktur oder Extrakt vom stinkenden Storchschnabel verzichten. Zu wichtig sind die Anwendungsgebiete und Wirkungen der Pflanze. Mit den bitteren und gerbenden Inhaltsstoffen und mit Alkaloiden und Flavonoiden ergeben sich die Eigenschaften zusammenziehend, kühlend, austrocknend und antiviral. Die Wirkung auf das Nervensystem bei neuralgischen Zuständen von Gesicht und Zahn ist erstaunlich. Gut einsetzbar ist der Extrakt bei entzündlichen Leiden der gesamten Verdauungswege. Ihre Wirkung auf die Nebennierenrinde (Unterfunktion) sollte nicht vergessen werden.
Die antivirale Wirkung der Pflanze macht sie so wertvoll bei der Behandlung von Lippenbläschen. Das Rezept mischt die Apotheke und diese besteht aus gleichen Teilen von Gerianum robertianum Ø (stinkender Storchschnabel), Melissa officinalis Ø (Melisse) und Echinacea purpurea Ø (Sonnenhut) oder bei Empfindlichkeit gegen Korbblütlerinnen lieber auf die 4. Potenz ausweichen. Mehrmals täglich wird die Mischung auf den Bläschenbereich aufgetragen. Die austrocknende Tendenz des Storchschnabels und die lokale Anwendung direkt auf den Lippenbläschen verspricht eine rasche Krustenbildung. Zum Abheilen der Kruste und zum Vorbeugen gegen Risse an der Lippe eignet sich Lomaherpan Salbe aus Melissenblättern.
Zum Schluss seien die nahen Verwandten des Geraniums robertianums kurz erwähnt – weil nicht minder wichtig in der modernen Kräuterheilkunde.
Erodium cicutarium, der gemeine Reiherschnabel als kalifornische Blütenessenz Filaree, wenn aus einer Fliege ein Elefant gemacht wird. Die Blütenessenz fördert und unterstützt Leute, die sich von der Last des Tages überfordert fühlen und sich daher um jede Kleinigkeit große Sorgen machen. Am Ende des Tages ist der Filaree-Typ völlig ausgelaugt, er hat den Eindruck, andauernd gearbeitet zu haben – aber dabei nichts Wesentliches geschafft zu haben.
Das ätherische Öl der Rosengeranie Pelargonium graveolens zum Bestreichen der Schläfen bei Kopfschmerzen und Migräne. Ein durchaus zu erprobendes Mittel bei Schläfenmigräne und bei Beschwerden als Folge von Aufenthalten auf Störzonen. Die Blüten der Duftgeranie finden magische Anwendung als Schutzpflanzen für Garten und Haus. Rosablühende Geranien werden seit jeher im Liebeszauber verwendet. Wenn man einen besonderen Wunsch hatte, der unbedingt in Erfüllung gehen sollte, so schrieb man diesen Wunsch auf ein Geranienblatt und vergrub dieses Blatt an einem besonderen Ort. Er Wunsch, so heißt es, wird in Erfüllung gehen.
Die afrikanische Geranienarten Peloargonium reniforme und sodoides sind in Lesotho beheimatet und seit einiger Zeit als Tinktur Umckaloabo in Apotheken erhältlich. Die antiviralen Eigenschaften werden besonders bei Bronchitis, Sinusitis, Angina tonsillares und Rhinopharyngitis positiv beeinflusst. Die Bekanntschaft der Heilpflanze in unseren Gefilden verdanken wir dem schwer lungenkranken Engländer Charles Henry Stevens, der im Jahr 1897 im heutigen Lesotho von einem Medizinmann des dort ansässigen Stammes mit eben dieser Geranienpflanze von seinem Lungenleiden geheilt wurde.
Die Heilige Hildegard von Bingen schätzte die Pelargonie Geranium anglicum, nannte sie Kranichschnabel, nahm Bertramkraut und Muskatnuss in die Mischung für Grippe-Herzschmerzen und verabreichte die Rezeptur in Pulverform: „Esse dieses Pulver mit Brot oder ohne Brot durch auflecken aus der Hand, es wird ihm besser gehen, weil es das beste Pulver für die Gesundheit des Herzens ist.“
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